Der Hochaltar

Der Hochaltar stammt aus dem letzten Viertel des 15. Jahrhunderts. Eine kleine Tafel, die sich noch im 19. Jahrhundert an der Rückseite des Altars befand, trug die Jahreszahl 1489. In jener Zeit entstanden die berühmtesten spätgotischen Schnitzaltäre: z.B. der Krakauer Altar des Veit Stoß (1477-1489), der Wolfgangaltar von Michael Pacher (1471-1481).

Mit seinen vier Flügeln gestattet der Altar drei Wandlungen für die Werktage, die Sonntage und die hohen kirchlichen Feste.

Er zeichnet sich vor allem durch den Reichtum und die hohe Qualität des Schnitzwerkes aus. Ein hochaufragendes Gesprenge vervollständigt seinen Aufbau. Im nördlichen Deutschland zählt er zu den größten erhaltenen Altären. Seine Skulpturen halten durchaus einen Vergleich mit den großen süddeutschen Schnitzaltären stand.

Bei geöffnetem Schrein erscheint vor goldenem Hintergrund und reich vergoldet in voller Lebensgröße Maria zwischen dem heiligen Adalbert von Prag und der heiligen Hedwig von Schlesien. Beide Heilige sind die Patrone des ehemaligen Bistums Lebus. Maria steht auf einer Mondsichel, die von zwei Engeln getragen wird. Sie umrahmen Maria, die als Himmelskönigin mit dem Christuskind auf dem Arm präsentiert ist und das Lilienzepter hält. Zwei Engel schweben über ihrem Haupt mit der Krone der Himmelskönigin. Zwischen diesen drei Skulpturen sind in vier Reihen übereinander, aber etwas kleiner, die zwölf Apostel angeordnet.

Die beiden Flügel dieser ersten Wandlung zeigen auf einem Goldgrund Szenen aus dem Marienleben: die Ankündigung der Geburt Jesu; Begegnung von Maria und Elisabeth, der Mutter Johannes des Täufers; die Geburt Jesu und die Anbetung der heiligen drei Könige.

Bei der zweiten Wandlung erscheinen ebenfalls vor goldenem Hintergrund: Jesus im Gebet im Garten Gethsemane, seine Gefangennahme, vor Herodes, vor Pilatus, Geißelung, Dornenkrönung, Ecce homo und Handwaschung.

Die Szenen der dritten Wandlung sind in einer weiten Landschaft dargestellt: Christus am Kreuz, Kreuzabnahme, Grablegung, Christus in der Vorhölle.

Ursprünglich gehörten noch vier weitere Tafeln auf zwei Standflügeln zu dieser Reihe. Sie sind seit der Renovierung von 1830 verloren und stellten die Kreuztragung, Kreuzigung, Ostern und Himmelfahrt dar.

Heute sind die vier Evangelistensymbole auf der Rückseite der Standflügel verloren. Aber die Bemalung der Rückseite des Schreins ist erhalten geblieben: Josef mit dem Jesusknaben an der Hand. Beide sind von einem reichen Rankenwerk umgeben.

Wenn auch die Werkstatt, in der unser Altar hergestellt wurde, bislang unbekannt ist, so wissen wir, dass für die Passionsszenen Kupferstiche von Martin Schongauer und Israhel von Meckenem als Vorlage dienten. Der Aufbau und die Ausführung des Retabels weisen auf süddeutsche Tradition hin. Denkbar wäre eine Werkstatt in Nürnberg, wohin Frankfurt als bedeutende Handelsstadt rege wirtschaftliche Beziehungen pflegte.

Wolfgang Töppen