Die Bronzetaufe

Die Bronzetaufe fällt durch ihre originelle und ungewöhnliche Form auf. Das Becken ist sechseckig und wird von drei Engeln, einem Löwen, einem Stier und einem Adler getragen. Diese symbolisieren die vier Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes.

Die hohe Haube besteht aus einer sich verjüngenden sechseckigen Pyramide. Beide Teile sind mit reichstem Reliefschmuck überzogen und haben aufeinander gestellt eine Höhe von 4,70 Meter.

An den abgeflachten Ecken des Beckens und der Haube stehen kleine Figuren, die zu den dargestellten biblischen Szenen keinen direkten Bezug haben: Könige und Heilige, Ecclesia und Synagoge, kluge und törichte Jungfrauen aus dem biblischen Gleichnis.

In 44 Reliefs wird die biblische Geschichte erzählt. Das Bildprogramm ist etwas unüblich von unten, vom Becken aus, nach oben auf die Haube übergehend zu lesen. In zwei Streifen sind Szenen aus dem Alten Testament und in vier aus dem Neuen Testament dargestellt.

Die Bildreihe beginnt mit der Erschaffung der Eva und erzählt unter anderem weiter vom Leben des ersten Menschenpaares im Paradies, seinem Ungehorsam und seiner Vertreibung aus dem Garten Eden. Es folgen Kains Brudermord, sein eigener Tod durch Lamech und schließlich die Sintflutgeschichte. Mit der Wurzel Jesse beginnt der Übergang zum Neuen Testament.

bronzetaufe1
Verzierungen an der Seite des Taufbeckensbronzetaufe2
hohe Haube in Form einer nach oben verjüngten Pyramide mit Verzierungen

In den folgenden vier Streifen stehen Bilder vom Leben Jesu, beginnend mit der Ankündigung der Geburt Jesu an Maria über Weihnachten, Kindheit, Passion und Ostern. Das letzte Bild zeigt die Himmelfahrt Christi. Seine Jünger blicken ihm zum Himmel nach. Er ist von einem Strahlenkranz umgeben und schon halb im Himmel entschwunden.

Die Bilderreihe endet unter einem Baldachin mit der Krönung der Maria zur Himmelskönigin durch Jesus Christus. Draußen, an den sechs Ecken, stehen fünf musizierende Engel (der fehlende sechste ist verloren).

Das Bildprogramm beginnt mit Eva und endet mit Maria. Schon der Theologe Irenäus von Lyon sagte gegen Ende des 2. Jahrhunderts: »Wie durch den Ungehorsam einer Jungfrau (Eva im Paradies) ein Mensch (Adam und seine Nachkommen) zu Fall gebracht wurde, stürzte und starb, so empfing der Mensch durch eine Jungfrau (Maria) wieder das Leben.«1

Und das Missale Goticum um 700 weiß: »Eva hat den Tod in die Welt gebracht, Maria das Leben. Jene trinkt mit den Saft des Apfels die Bitterkeit, diese gewinnt am Quell ihres Kindes die Süßigkeit«.2

Neben der Bronzefünte der Rostocker Marienkirche aus dem Ende des 13. Jahrhunderts ist die Frankfurter das bedeutendste Beispiel einer mittelalterlichen Taufe in Norddeutschland. Sie zählt zu den reichsten und originellsten monumentalen Bronzewerken aus gotischer Zeit überhaupt. Am unteren Rand der Haube lesen wir eine lateinische Inschrift. Übersetzt lautet sie: »Im Jahre des Herrn 1376 wurde diese Taufe von Meister Arnoldus vollendet, dessen Seele der Herr selig und glücklich mache.« Über diesen Künstler ist bislang nichts bekannt.

Selten dargestellte Szenen auf der Taufe und den Chorfenstern von St. Marien lassen vermuten, daß er diese kannte oder mit dem Glasmaler gleiche Vorbilder benutzte.

Schon die ältesten Schriftquellen des 16. Jahrhunderts erwähnen und rühmen das damals ölvergoldete Werk. 1826 wurde die Fünte stark beschädigt, wieder hergestellt und mit Goldbronze angestrichen. Während des Krieges war sie in der St. Marienkirche eingemauert. Erst 1949, beim Einsturz eines Gewölbes, wurde sie zum zweiten Male stark beschädigt. Bei der nachfolgenden Restaurierung wurde die Farbe abgenommen. Bei entsprechender Beleuchtung ist heute noch ein schwacher Schimmer des alten Goldes zu sehen.

Wolfgang Töppen